
Rezension: A Long Way Down von Nick Hornby
- by Lesekissen
Penguin Books UK – Paperback – Deutscher Titel: A Long Way Down
ISBN: 9780141025773 – Seiten: 257
Der Weg nach unten ist lang
Es ist Silvester, als sich Martin auf das Dach des Topper’s House traut, sein Leben nur noch ein Scherbenhaufen. Einst erfolgreicher Moderator einer Frühstücksendung im britischen Fernsehen ist er aufgrund einer sexuellen Affäre mit einer Minderjährigen aufgeklatscht. Warum muss auch ausgerechnet die in seinem Club herumlaufen, der nicht für Mädchen ihres Alters gedacht ist?
Es folgte Gefängnis, eine gescheiterte Karriere und schlussendlich die Stufen nach oben, um in den Tod zu stürzen. Nur hat Martin eins nicht bedacht: An Silvester den beliebtesten Platz für Selbstmorde aufzusuchen führt dazu, dass man eben nicht alleine runterspringt.
Und als Maureen vor ihm steht und auch noch eine verrückte Jess vorbeischaut, kann es ja nicht mehr gut enden. Vor allem nicht, wenn ein Pizzabote namens JJ vor ihnen steht und die letzte Pizza seines Lebens ausliefern möchte.
Die vier ungleichen Personen steigen wieder vom Dach und schließen einen Pakt. Nächster Sprungtermin: Valentinstag. Bis dahin bleibt ihnen Zeit ihr Leben in den Griff zu bekommen. Oder eben nicht…
Skurrile Charaktere meets Komödie
Nick Hornby schafft hier eigenwillige Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie alle haben ihre Gründe sich von einem Hochhausdach zu werfen, auch wenn sie noch so seltsam erscheinen.
Martins Karriere und Ehe ist in Trümmern. Für ihn gibt es keinen Ausweg mehr, als von der Welt zu verschwinden.
Maureen hingegen hat sich ihr Leben lang um ihren Sohn gekümmert. Durch seine Behinderung muss sie ihn ständig pflegen und niemand weiß, was er überhaupt noch wahrnimmt. Ihr einziger Halt ist die Kirchengemeinde und auch die ist nicht genug, um das soziale Loch zu stopfen in dem Maureen zu sitzen scheint.
Jess hingegen hat einfach einen Knall und noch so jung. Sie feiert zu viel und bringt sich selbst in Gefahr. Sie braucht vor allem eins, einen vernünftigen Kopf! Ihr chaotisches Leben droht sie zu zerstören. Aber das ist nur Fassade von einer viel traurigen Wahrheit, die sie nie verkraftet hat und nie die Hilfe bekommen hat, die sie dringend bräuchte.
Und dann wäre da noch JJ, in seinen Dreißigern, ehemaliger begeisterter Musiker, den die Welt und seine Kreativität geschluckt hat. Damit blieb ihn nichts mehr, was ihn halten würde.
Ausgerechnet dieses Vierergespann trifft sich oben auf dem Dach und versucht zum ersten Mal etwas zu machen, was nicht im Raum stand: Ihre Probleme zu lösen.
Humor und Depressionen
Dass sie alle an schweren Depressionen leiden macht den Roman zu einen wahren Backstein, der einen nach unten ziehen kann, wäre da nicht der unglaublich schwarzer Humor mitten in die grausame Situation hinein. Man muss selber schmunzeln und kann es sich nicht verkneifen, auch wenn es aussichtslos scheint sie davon abzuhalten. Ihre Versuche sind geradezu katastrophel und idiotisch, aber das hält sie nicht auf. Sie versuchen alle den anderen aus ihrem Sumpf zu holen, mit allen Mitteln, die sie kennen und müssen feststellen, dass sie einfach nur scheitern müssen. Oder etwas doch nicht?
Sie bemerken bald Veränderungen, selbst wenn sie noch so klein sind und landen doch wieder in Szenarien, die mit jeder Menge Sarkasmus und Zynismus gespickt sind. Waschechte Downer im Angesicht des Grauens, die sie durchstehen müssen. Aber da hilft doch eh nur lachen, wenn man schon am Galgen hängt!
Und dadurch wird die Authenzität zur Depression deutlich. Sie wirkt komödiantisch, doch es ist mehr der verzweifelte Versuch etwas zu verdecken, was tief in einem schlummert. Eine Schutzhülle, um nicht mit dem konfrontiert zu werden, was die Welt so schlimm macht. In jedem der vier Personen stecken tiefe Kratzer, die es anzugehen gilt und sie öffnen sich, entblättern sich und ziehen blank, auch wenn sie es nicht wollen, auch wenn es mal kracht und sie sich in die Haare kriegen. Vor allem haben sie aber sich und das ist mehr, als sie jemals hatten.
Unterschiedlichkeit, die hilft
Jeder von ihnen schildert die Ereignisse aus ihrer Sicht und das in ganz eigenen Tonfällen und Charakterzügen. Nick Hornby gelingt etwas, was wenige Autoren beherrschen, die versuchen verschiedene Perspektiven einzunehmen. Er nimmt einen in die Köpfe mit, in ihre Welten und in ihr Verhalten bis ins letzte Detail. Egal, ob es eine total verwirrte Jess ist oder eine fast lebensfremde Maureen. Ihre Erzählweise ist auf sie zugeschnitten, so passgenau, dass man nur Staunen kann.
„A Long Way Down“ ist kein Roman, der eine Lösung gibt, kein Allgemeinrezept gegen Depressionen und Selbstmordgedanken. Hornby versucht es gar nicht, sondern lässt die Dinge entstehen, fast schon quälend langsam entfalten sich die Entwicklungen seiner Charaktere, die alle ihren eigenen Weg gehen müssen. Es ist nicht einfach gegen sich zu kämpfen, aber möglich und diese Nachricht wird deutlich. Es passiert nicht viel in ihren kleinen engen Kreis, sie laufen einfach nur weiter und weiter. Fast schon pessimistisch und missgelaunt in ihrer Konstellation gefangen. Doch genau da liegt der Punkt, es geht weiter und weiter und weiter. Und darauf kommt es an, auch wenn ihr Lebenn noch so trist und sinnlos erscheint, es gibt einen Ausweg ohne Absprung.
Schaffen sie aber den Absprung vom Absprung?
Fazit
„A Long Way Down“ ist ein Roman über Depressionen und Suizid, der bewegt, aber nicht schont. Trotz Galgenhumor bleibt er immer an der Thematik und zeigt auf, egal wie schlimm es scheint, es geht weiter. Es geht immer weiter.
Penguin Books UK – Paperback – Deutscher Titel: A Long Way Down ISBN: 9780141025773 – Seiten: 257 Der Weg nach unten ist lang Es ist Silvester, als sich Martin auf das Dach des Topper’s House traut, sein Leben nur noch ein Scherbenhaufen. Einst erfolgreicher Moderator einer Frühstücksendung im britischen Fernsehen ist er aufgrund einer sexuellen…